Vorwort

Seit vielen Jahren tobt in Aachen ein Streit, was mit dem Gelände am Kaiserplatz anzufangen sei. Alle Parteien wünschten sich eine Aufwertung des Gebiets, über die Methoden gingen die Meinungen teils stark auseinander. Besonders mit dem Thema 'Das liebe Geld' schafften es mehrere Vorhaben in die Schlagzeilen und das Aus.

Seit einiger Zeit wird nun auch wirklich gebaut. Es ist ein Ende der mehrjährigen Bauzeit absehbar und langsam aber sicher wird auch den unbeteiligteren Bürgern deutlich, dass dieses Projekt einen massiven Einfluss auf Status Quo und die Entwicklung der Stadt haben kann. Obwohl die Auslegungen der Pläne längst beendet ist und die Baupläne beschlossen und in der Umsetzung sind, wird das Thema heiß diskutiert.

Der vorliegende "Artikel" ist mein erster Versuch, etwas Ähnliches wie einen Zeitungsbericht zu schreiben. Der Gedanke kam mir, als ich die Kommentarsektion des Webartikels zum Aquis Plaza durchstöbert habe. Im Vorfeld des Richtfestes wurde dort zu einer Diskussion über Sinn oder Unsinn des Centers angeregt. Die Kommentare glänzten oft durch festgefahrene, unreflektierte Meinungen, die wenig Spielraum zum Kompromiss zuließen. Da ich im Vorfeld eine Arbeit über den Effekt von Einkaufszentren auf den innerstädtischen Einzelhandel geschrieben habe, sah ich mich qualifiziert, einen Kommentar zum Thema zu verfassen. Veröffentlicht habe ich ihn dann aber doch nicht. Stattdessen kam ein halbes Jahr später, die Eröffnung des Centers ist inzwischen absehbar, ein kleiner Nachtrag hinzu. Einige Kritikpunkte des vorherigen Modells wurden offenbar beseitigt. Ein Umstand, der hoffen lässt.



Aquis Plaza – Aachens Innenstadt vor neuen Herausforderungen

Seit vielen Jahren schon zählt das Gebiet um den Aachener Kaiserplatz als Problemzone der Stadt. Statt Orangenhaut und Speckröllchen haben sich hier Drogen und Prostitution ansiedeln. Wer konnte, der hat den Platz gemieden oder sich wenigstens nicht lange dort aufgehalten.

Gegen den Straßenstrich hat die Stadt etwas ausrichten können. Statt gut sichtbar am Straßenrand ist er in der Anonymität der Passanten auf dem Bürgersteig verschwunden.

Das soziale Klima hat sich dadurch natürlich nicht verbessert und was für die Stadt viel wichtiger ist: Der Wert und der Umsatz der angrenzenden Grundstücke auch nicht.


Nun wurde vor einigen Jahren beschlossen, die Situation dauerhaft zu verbessern. Zu diesem Zweck sollte der aussterbende Einzelhandel durch ein neues Einkaufszentrum wiederbelebt werden. Die Planung und mit ihrer Ausführung verbundenen Veränderungen des Stadtbildes beschäftigen die lokalen Medien von Anfang an.

Dabei hat das Projekt bei Weitem nicht nur gute Rezensionen bekommen. Verzögerungen durch Planungsfehler und Kostenexplosionen haben das Vorhaben gleich mehrfach fast zum Erliegen gebracht. Zuletzt war sogar im Gespräch, das bereits teilweise abgerissene Gebiet zu einem Parkplatz oder einem Park zu machen.

In der Zwischenzeit zerfiel die Adalbertstraße zwischen Kugelbrunnen und Kaiserplatz mehr und mehr. Ein Backwerk, DM, Beathe Uhse, viel mehr ist nicht geblieben, um die Stellung zu halten. Besonders in Richtung Kaiserplatz dominieren Tristesse und der penetrante Uringeruch das Erscheinen der Straße.


Als die Bagger und Baukräne am Ende doch noch anrückten, war aus der Kaiserplatz Galerie das Aquis Plaza geworden. Warum? Das kann man nur vermuten. Unbestreitbar ist, dass das Image der Kaiserplatz Galerie durch die vielen Probleme und Budgetstreitigkeiten durchaus gelitten hatte.

Mit dem Aquis Plaza soll das nun alles vergangen sein. Der Bau scheint planmäßig und gut voranzugehen. Die Projektleiter zeigen sich in allen Bereichen sehr zufrieden. Vor wenigen Tagen berichtete die Aachener Zeitung über das Richtfest und rief auf Facebook zur Diskussion auf. Wird das neue Center der erhoffte Erfolg für die Aachener Innenstadt?


Das Modell des Urban Entertainment Center, der Mall in der Innenstadt, ist reichlich erprobt. Nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele für diese Bauform. Es genügt ein kurzer Blick nach Berlin, Düsseldorf, Köln oder Oberhausen. Besonders in Ostdeutschland hat man in dieser Richtung viele Erfahrungen gesammelt. Jedem Aachener werden die Aachen Arcaden ein Begriff sein, auch wenn man sie nicht zwingend von innen kennt.

Die Motivation der Betreiber ist klar: Möglichst viele Kunden möglichst lange im Gebäude zu halten, zu unterhalten und als Kunden zu behalten. Zu diesem Zweck werden etliche Buslinien die eigene Haltestelle des Centers direkt anfahren. Das Aquis Plaza hat sich allerdings auf die Fahne geschrieben, eine Symbiose mit der Innenstadt eingehen zu wollen. Man will nicht die übliche Parallelgesellschaft erzeugen, bei der beide Systeme in direkter Konkurrenz stehen. Auf dem Papier jedenfalls.

In einem Schaufenster am Kaiserplatz findet sich ein Modell des Centers, gemeinsam mit einigen Informationstafeln. Dieses Modell straft dem vermeintlichen Symbiosewunsch bittere Lügen.

Wenn man dieses Modell betrachtet, fällt das klassische Design des Centers sofort auf. Ein großer, reichlich ausgeschmückter Eingangsbereich Richtung Kaiserplatz. Dahinter folgt der Korridor, welcher die Anchor-Stores verbindet und von den kleinen Geschäften gesäumt werden soll. Im Untergeschoss ist Raum für den kurzfristigen Bedarf, im Obergeschoss der Foodcourt. Am anderen Ende folgt dann ein weiterer Eingang, wenn man ihn so nennen will. Vom Kugelbrunnen aus soll, entlang des Adalbertsberg, eine Art Tunnel in das Gebäude hinein führen. Über die komplette Adalbertsstraße ist dies die erste erkennbare Öffnung in der ansonsten geschlossenen Schaufensterfront.

Über etwa 150 Meter sollen also auf der einen Seite Schaufenster und auf der anderen ein gesunder Einzelhandel sein. In Richtung der bisherigen Einkaufsstadt gibt es immerhin einen mehr oder minder behelfsmäßigen Seiteneingang. Der Haupteingang, in einem Akt trotziger Verzweiflung, soll versuchen eine der großen Busknotenpunkte und große Problemzone der Stadt mit buntem Leben zu füllen. Wirtschaftlich interessantem Leben.


Es verwundert nicht, dass viele Aachener der Aufforderung ihrer Zeitung nachgekommen sind. Auch wenn die Diskussion nicht immer ganz sachdienlich lief, ein Bild zeichnete sich schnell ab. Das Aquis Plaza wird nicht so begeistert erwartet, wie es sich Stadt und Betreiber wünschen dürften. Die Befürworter sind erschreckend klar in der Unterzahl.

Ein Großteil der Kommentare bemängelte das Fehlen von Wohnraum in einer Stadt mit wachsender Universität. Zu viele Ladenlokale würden ohnehin bereits leer stehen, zum Beispiel am Damengraben, war ein anderes Argument. Noch ein H&M? Noch ein Saturn? Die Aachener Zeitung liefert eine Liste mit Mietern, die im Gespräch stehen die Läden zu füllen. Viele Aachener Bürger sehen die kleinen Einzelhändler massiv bedroht.


Es ist keineswegs abwegig zu behaupten, das Konzept ist gut gemeint aber mangelhaft ausgeführt. Eine zusätzliche Belebung der Innenstadt würde nicht schaden, im Gegenteil. Nur die Art, wie das Aquis Plaza dies rein architektonisch erreichen will ist zum Scheitern verdammt.

Ob, und wenn, wie gut, die Aachener das neue Center annehmen werden, das kann zu diesem Zeitpunkt niemand sicher sagen. Die neu entstehenden Wohnungen werden sehr wahrscheinlich wenig Leerstand zu befürchten haben. Ob das Center selbst das Schicksal der Aachen Arcaden am Bahnhof Rothe Erde, zwei Kilometer entfernt, teilen wird, das wird die Zeit zeigen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Demnach darf man weiterhin hoffen, dass die Eröffnung nicht das Aus für einen Großteil der bestehenden Geschäfte bedeuten wird. Vieles hängt dabei auch vom Management des Centers ab.



September 2015. Die Baustelle Aquis Plaza liegt in den vorletzten Zügen, das Modell des fertigen Centers ist verschwunden und das entsprechende Ladenlokal jetzt eines, der vielen leer stehenden. Durch die Lücken im Bauzaun kann man fleißige Arbeiter sehen, die entlang einer langen Glasfassade beschäftigt sind.


Was aber auffällt ist, dass der Blick vom Kugelbrunnen aus nicht auf eine schnöde Fassade fällt. Anders, als das Modell noch vermuten ließ, entsteht hier ein deutlicher und durchaus ausgeschmückter Nebeneingang (oder Nebenausgang, je nachdem, wie man seine Perspektive setzen will). Die bestehende Einkaufsstadt soll also offenbar doch mit eingebunden werden, wenigstens sporadisch.

Auch die Befürchtung, die Adalbertsstraße zur einen Seite hin in einer geschlossenen Fensterfront auszuführen, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Neben dem Notausgang des Treppenhauses verfügen auch die Ladenlokale über Türen zur Straße hin. In der Gegend des Kugelbrunnens ist nicht ganz deutlich, ob es sich lediglich um Fluchttüren oder um offizielle Ein- und Ausgänge handeln soll. Im Umfeld des Kaiserplatzes aber sind Schiebetüren mit Bewegungssensor verbaut. Auch wenn diese etwas improvisiert wirken, brechen sie doch die geschlossene Front auf und öffnen das Gebäude zum Bestand hin.


Trotz allem kann es nicht schwer sein, in der aachener Innenstadt ein Geschäft zu eröffnen. Wenigstens die Räumlichkeit kann kein Problem sein, denn auch ohne das neue Aquis Plaza besteht offenbar keine Not. Während zwischen Kugelbrunnen und Elisenbrunnen oder am Dahmengraben nur einzelne Lokale leer stehen, herrscht zwischen Kugelbrunnen und Kaiserplatz gähnende Leere. Außerdem hat der Saturn am Kaufhof bereits damit begonnen, seine Stellagen zu räumen und ruft zur Hilfe beim Umzug auf. Es wird also bei einem Saturn in Aachen bleiben. Kein Vermerk, wer die alten Räumlichkeiten beziehen möchte.

Der Leerstand in der Adalbertsstraße wird vermutlich verschwinden, wenn der Aquis Plaza eröffnet. Wenigstens für eine Weile. Hier wird sich zeigen, wie eng die angestrebte Symbiose zwischen Urban Entertainment Center und Einkaufsstadt wirklich ausfällt. Der Kompromiss zwischen einer klassischen, abgeschotteten Mall und einem wertvollen Teil einer belebten Innenstadt könnte tatsächlich gelingen. Die Eröffnung bleibt abzuwarten.

Es ist noch alles offen. Das fertige Konzept kann am Ende sowohl überzeugen, als sich auch als großen Fehlschlag entpuppen.